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11.09.2002 - "Ein Jahr nach dem 11. September"
Unmöglich, sich heute nicht an den 11.09.2001 zu erinnern, den Tag, als unmöglich Erscheinendes auf tragische Weise Wirklichkeit wurde - und trotzdem auch jetzt noch nicht richtig begreifbar ist.
Schwer zu glauben, dass das jetzt schon ein Jahr her ist. Heute vor einem Jahr steckten Elsa und ich gerade in unseren Hochzeitsvorbereitungen. Elsa war bei ihren Eltern, 150 km von mir entfernt, ich arbeitete und kehrte gerade aus der Mittagspause zurück, als mir jemand sagte, dass in New York ein Flugzeug in "irgendeinen Wolkenkratzer" geflogen sei. Ich ging nach oben und versuchte, über's Internet RP-Online aufzurufen, aber der Bildschirmaufbau war so zäh wie nie. Dann wurde bei RP-Online umgeschaltet auf den News-Ticker und es gab aktuellere Nachrichten. Trotzdem kamen die Nachrichten so langsam, dass mir die Ausmaße der Katastrophe erst nach und nach bewußt wurden (wenn überhaupt). Ich konnte und wollte nicht mehr arbeiten und ging früher nach Hause, schaltete den Fernseher ein und sah die ersten Bilder des Unfaßbaren. Sah die Aufnahmen vom Einsturz, sah Sonderbericht um Sonderbericht, ohne jedoch wirklich Neues zu erfahren. Ich telefonierte mit Elsa, auch sie konnte die Nachrichten kaum glauben.
Zeitlich lag der 11. genau in der Mitte zwischen unserer standesamtlichen (01.09.) und kirchlichen (22.09.) Trauung, wir steckten mitten in den Vorbereitungen für die kirchliche Trauung und die anschließende Feier. Mit jedem weiteren Tag wurde mehr über die Katastrophe bekannt, auch über die außerhalb von New York. Und mit jedem Tag sank die Freude auf die bevorstehende Feier. Wir waren froh und dankbar, dass wir die kirchliche Trauung nicht, wie ursprünglich geplant, auf den 15.09. gelegt hatten. Uns wäre wohl nicht wirklich nach Feiern zu Mute gewesen...
Aber auch gut eine Woche später konnten wir nicht einfach verdrängen was passiert war. Auf unsere Liedblätter für die kirchliche Trauung druckten wir auf der Rückseite ein sinngemäßes Zitat von Martin Luther King:
"Es gibt keine größere Kraft als die Liebe. Sie überwindet den Haß wie das Licht die Finsternis." und darunter die Worte "In Gedenken an alle Terroropfer dieser Welt und ihre Hinterbliebenen".
Für den 24.09. war unser Flug auf die griechischen Kykladen geplant. Zwei Flitter-Wochen, eine auf Santorini, eine auf Mykonos. Ein bißchen Angst schlich sich ein, fliegen zu müssen - bzw. die Frage, überhaupt fliegen zu dürfen. Im Urlaub dann verdichteten sich die Meldungen über den bevorstehenden Angriff der USA auf Afghanistan. Ich weiß nicht mal mehr, ob der erste Angriff tatsächlich schon während unseres Urlaubs passierte oder erst danach, als wir zurück waren.
Das war vor einem Jahr. Die Erinnerungen sind noch sehr präsent, ich kann wirklich kaum glauben, dass es schon ein Jahr her ist. Andererseits ist es genug Zeit, um das Ereignis (bewußt oder unbewußt) zu verdrängen. Der "Alltag" ist schon längst wieder eingekehrt, jedenfalls hier in Deutschland. Die Ereignisse vom 11. September haben die Welt ohne Zweifel verändert, aber wie tief sie die Welt verändert haben, das ist nur schwer festzustellen. Ein interessanter Artikel zu dieser Frage findet sich bei der RP-Online: "Was von Schock und Trauer geblieben ist"
Auch das Interesse an bzw. die Sensibilität für Terror-Filme hat nur kurzfristig nachgelassen: "Terror-Filme locken in die Kinos" Oder sind sie so beliebt, weil nach knapp 2 Stunden Spannung, Action und (Mit-)Leiden wenigstens im Kino die "Bösen" zur Rechenschaft gezogen werden? Und, weil diese Filme zu 90 % aus Hollywood kommen, sie den amerikanischen Patriotismus unterstützen?
Nein, ich will nicht verurteilen, aber Besonnenheit ist trotz Leid und Trauer wichtig. Und interessanterweise sind es selten die direkt durch den Anschlag Betroffenen oder Hinterbliebenen, die nach Vergeltung rufen. Höchstens nach Gerechtigkeit.
Aber ist es Gerechtigkeit, dass "In Afghanistan [...] ungefähr viermal so viele Menschen zu Tode gekommen sind wie im WTC. Keinem dieser Menschen ist bis heute auch nur die entfernteste Mitwirkung am Anschlag vom 11.9. nachgewiesen worden."? Roger Willemsen in "Prominente erinnern sich".
Je länger ich an diesen Zeilen schreibe, desto mehr wird mir wieder bewußt, wie schwierig dieses Thema ist und dass mir (wieder) die Worte fehlen.