Keine Zeit des Jahres weckt bei Menschen so viele Erwartungen und Sehnsüchte wie Advent und Weihnachten. Trotzdem ist es für viele eine schwierige Zeit. Das Dunkel der langen Nächte erinnert an das Dunkel im eigenen Leben. Über Wochen versuchen wir das winterliche Dunkel aufzuhellen mit einer Flut von Lichtern auf Straßen und Plätzen, in Wohnstuben und Kirchen. Aber es will uns nicht gelingen, es auszuschaffen [schweizerisch für vertreiben?] und draußen zu halten.
Selbst unsere schönen Weihnachtslieder, die das Licht so herzhaft und überschwänglich besingen, muten gelegentlich an wie ein krampfhafter Versuch, die Nacht zu verdrängen. Dies macht diese Wochen so schwierig: Wir können mit dem Dunkel schlecht umgehen: Mit Hell und Dunkel, mit Freude und Leid, mit Gewinnen und Verlieren, mit Leben und Sterben.
Einer der uns hilft, in einer Zeit schrecklicher Kriege und vor einer düsteren Zukunft dennoch vom Licht und einem rettenden Gott zu reden und zu singen, ist Jochen Klepper, ein Dichter, der beides am eigenen Leib erfahren hat.
Quelle

Dies Zitat beschreibt ziemlich genau das, was ich manchmal in diesen Tagen empfinde, deswegen habe ich es so übernommen. Jochen Klepper hat ein Weihnachtslied der nachdenklicheren Art geschrieben, das diese Gefühle aufgreift und das sich sowohl vom Text als auch von der Melodie wohltuend, beruhigend und mutmachend vom üblichen Kaufhaus- und Weihnachtsmarkt-Gedudel abhebt:

Die Nacht ist vorgedrungen
Text: Jochen Klepper, 1938; Melodie: Johannes Petzold, 1939

1. Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.

2. Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

3. Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah!

4. Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

5. Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt!
Als wollte er belohnen,
so richtig er die Welt!
Der sich den Erdkreis baute,
der läßt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.

Klepper wusste wovon er sprach. Zwischen Nacht und Nacht hat er sein ganzes Leben zugebracht, bis er schließlich in einer letzten Nacht vom 10. Dezember 1942 zusammen mit seiner jüdischen Frau und deren jüngster Tochter freiwillig aus dem Leben schied. Er sah darin den einzigen Weg, einer durch die Nationalsozialisten verordneten Zwangsscheidung mit anschließender Deportation von Gemahlin Hanni und Tochter Renate ins KZ aus dem Weg zu gehen.Quelle

Die beiden längeren Zitate in diesem Eintrag sind einer Meditation zum Lied „Die Nacht ist vorgedrungen“ entnommen.

Ein Kommentar on Die Nacht ist vorgedrungen

  1. Liisa sagt:

    Hallo Martin,

    ich mag dieses Lied von Klepper sehr vor allem die 1. und 4. Strophe. Danke für’s posten hier!